Durch die Abschaffung der Zollgrenzen im Innern und den gemeinsamen Zolltarif nach außen stellt der Europäische Binnenmarkt eine Zollunion dar. Um einheitliche Marktbedingungen im gesamten Gebiet der Europäischen Union zu verwirklichen, wäre allerdings eine umfassende Harmonisierung der Verbrauchsteuern erforderlich. Ein MwSt-Aktionsplan von 2016 sieht die Umsetzung des Bestimmungslandprinzips vor. Zwischenzeitliche Vereinfachungsmaßnahmen („Quick-Fixes“ ab Januar 2020) sollen Unternehmern die Umkehr vom derzeitigen System erleichtern.
Aus Ursprungslandprinzip wird Bestimmungslandprinzip
Bislang sah Art. 402 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Besteuerung im Ursprungsmitgliedstaat vor. Wird eine Ware beispielsweise von Berlin nach Wien geschickt, wird diese genauso besteuert wie eine Lieferung im Inland, sprich der leistende Unternehmer schuldet die Umsatzsteuer in Berlin und der Empfänger kann den Vorsteuerabzug bei sich vor Ort geltend machen.
Der Aktionsplan „Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum: Zeit für Reformen“ von 2016 formuliert die Besteuerung nach dem Bestimmungsland als Ziel. Gemäß E-Art. 402 MwStSystRL wird der leistende Unternehmer im Bestimmungsmitgliedsland zum Steuerschuldner, während der Leistungsempfänger bei Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung den korrespondierenden Vorsteuerabzug hätte.
Gemeinsames MwSt-System
Die Harmonisierung des europäischen Umsatzsteuerrechts zieht weitreichende Veränderungen nach sich und wird dementsprechend emotional diskutiert. Um die Akzeptanz durch die Wirtschaft zu erhöhen, wurden am 2.10.2018 für einzelne Bereiche einige Sofortmaßnahmen („Quick Fixes“) beschlossen. Sie treten ab dem 1.1.2020 in Kraft und gelten grundsätzlich für alle Unternehmer während der Übergangsphase bis zur Implementierung eines endgültigen, neuen MwSt-Systems.
Nachfolgend werden die angedachten Vereinfachungsmaßnahmen kurz vorgestellt:
Vereinfachte Abwicklung von Konsignationslagergeschäften
Konsignationslagergeschäfte werden ab Januar 2020 EU-weit einheitlich geregelt werden. Für die Unternehmer bedeutet dies, dass zum Zeitpunkt der Einlagerung der Waren kein innergemeinschaftliches Verbringen zu erklären ist. Erst zum Zeitpunkt der Entnahme der Waren durch den Abnehmer muss eine innergemeinschaftliche Lieferung erklärt werden.
Vereinheitlichung bei Reihengeschäften
Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäftskonstellationen stellt die Zuordnung der bewegten Lieferung ein häufiges Problem dar und führt in der Praxis immer wieder zu Abwicklungsproblemen. Beauftragt der mittlere Unternehmer den Transport, kann ab dem 1.1.2020 die Zuordnung der bewegten Lieferung durch UID-Nr. entweder des Abgangslandes oder des Bestimmungslandes besteuert werden.
Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Ab Januar 2020 sind bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die formalen Voraussetzungen zwingend zu erfüllen, um die Steuerbefreiung anwenden zu können. Hierzu muss zum einen eine gültige UID-Nr. des Käufers im anderen Mitgliedsstaat vorliegen. Zum anderen muss der liefernde Unternehmer die Lieferung in die Zusammenfassende Meldung (ZM) aufnehmen.
Generelle Umkehr der Steuerschuldnerschaft
Bis zum 30.6.2022 ermöglicht der Rat der Europäischen Union eine befristete generelle Umkehr der Steuerschuldnerschaft für Mitgliedstaaten, die am stärksten vom Mehrwertsteuerbetrug betroffen sind. Dieses generelle Reverse Charge-Verfahren für sämtliche Lieferungen und Dienstleistungen ist jedoch nur ab Überschreitung bestimmter Schwellenwerte und nur bei Erfüllung bestimmter Kriterien möglich.
Handlungsbedarf: Tax-Compliance-System
Die anstehenden Neuerungen müssen in innerbetriebliche Kontrollsysteme und interne Richtlinien zur Fakturierung übernommen werden, um rechtssicher handeln zu können. Ebenso ist darauf zu achten, dass jede Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Kunden beim Bundeszentralamt für Steuern qualifiziert abgefragt wird und die entsprechende Mitteilung als Nachweis vorgehalten wird. Insgesamt ist die Entwicklung eines Tax-Compliance-Systems sinnvoll, um rechtssicher am Markt zu agieren und gegebenenfalls auch Kosten zu senken.